Kritik zu Metamorphosen (Theater Ansbach) von Theresa Selzer


 Gerald Leiß als Max (Jim Albright Foto)


In der Geschichtenschmiede. Karl (Valentin Bartzsch) und Max (Gerald Leiß) sind Freunde und Kollegen. Die eintönige Arbeit in der Werkstatt inspiriert die beiden dazu, sich Geschichten aus antiken Zeiten zu erzählen und den reglosen Metallteilen eine Seele einzuhauchen.

Eine alte Schmiede ist der Ausgangspunkt der Handlung. Während Karl etwas tölpelhaft zwischen den Maschinen herumstolpert, ist Max zwar vorbildlich vorbereitet, benötigt aber die Hilfe seines Freundes. Rührend unterstützen sich die beiden gegenseitig, um ihre Werkstücke möglichst rasch abzuschließen. Von der Macht ihrer Fantasie übermannt finden sie in den leblosen Metallteilen die Protagonisten ihrer Erzählungen und lassen den eintönigen Alltag bald hinter sich. Es sind dies drei Geschichten der Verwandlung, von Nils Gredeby frei nach Ovid erzählt und von Günter Bergfeld ins Deutsche übersetzt.

In den filigranen Bewegungen der tänzerischen Choreographie wird nahezu jeder einzelne der zig Gegenstände, die auf der Bühne positioniert sind, bespielt. Die grobe Schraubzange wird kurzerhand zum Göttervater Jupiter erklärt und die kratzige Stahlbürste zu seiner eifersüchtigen Ehefrau Juno. Mit der Zeit geraten Karl und Max jedoch so sehr in den Erzählfluss, dass sie selbst in die Rollen gewisser Figuren schlüpfen: ganz ohne Kostümwechsel, nur durch die Veränderung ihres Ausdrucks, ihrer Stimmlage und ihrer Gesten. Spielerisch bewegen sie sich durch die Werkstatt, deren Ausstattung ebenfalls neue Bedeutung erlangt. Aus zwei Kurbelrädern und einem Besen wird der Wagen des Phaeton („nicht so ein Abgas-manipulierter VW“), der im wilden Auf und Ab schließlich alles in Flammen setzt. Und anstelle eines Geschirrtuchs sieht man plötzlich – durch die Augen der Erzähler – tatsächlich die alles verschlingenden Meeresfluten.

Am gelungensten ist wohl die Beschreibung ebenjener Episode von Deukalion und Pyrrha, die nach einer von Jupiter gesandten Sintflut die einzigen überlebenden Menschen auf der Erde sind. Sie werden mit der Neu- Schöpfung der Menschheit beauftragt, indem sie Steine über ihre Schultern werfen. Tatsächlich erscheinen in Stefan Beckers Inszenierung auch Steine. Von plumpem Werfen kann aber nicht die Rede sein. Viel eher werden sie in kontrollierten Bögen behutsam auf ihrer Wurfbahn begleitet und fast so sanft wie rohe Eier wieder auf den Boden gelegt.

Voller schöner Bilder, die mit Bedacht gewählt und gestaltet sind, bringt das Theater Ansbach die Kunst des kindlichen und kreativen Geschichtenerzählens charmant auf die Bühne. Dass die dafür notwendigen Mittel auch ganz gewöhnliche, vielleicht auf den ersten Blick sogar fade Gebrauchsgegenstände sein können, ist mehr als ein zufälliger Nebeneffekt. Die Metamorphosen werden zum ästhetischen Programm und verwandeln sowohl die Menschen, als auch die Dinge um sie herum. Und hier schließt sich der Kreis zur Schmiede wieder, in der aus Rohstoffen allein durch die Veränderung der Form mitunter Wertvolles geschaffen wird. 

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