Kritik zu Sag was! (Theater Minimus Maximus) von Theresa Selzer


Szenenfoto aus "Sag was!" von Theater Minimus Maximus.
Im Bild: Carina Huber und Fabienne Rohrer

Ein stummes Kind eröffnete in Nenzing das 29. internationale Theaterfestival „Luaga & Losna“ für ein junges Publikum. In seinem Programm „Sag was!“ (4+) zeigte das Vorarlberger Theater Minimus Maximus mit Humor und Verständnis, wie es sich anfühlt, wenn Kinder nicht reden wollen und Eltern das nicht verstehen.

Tänzerisch nähern sich zunächst die drei Protagonisten einander an, übernehmen Bewegungsmuster voneinander und treffen auf der Bühne körperlich aneinander. Daraus entwickelt sich ein wechselndes Rollenspiel, das an das kindliche Spielen und Ausprobieren angelehnt ist. Das Versprechen, ganz ohne Worte auszukommen, wird hier allerdings schon zu Beginn gebrochen. Jung und Alt erkennen die bekannten Auszählreime, wenn auch in leicht veränderter Form, wieder. Zur Wiedergutmachung verlagert sich der Bühnenmittelpunkt sogleich hinter eine Leinwand, auf der das von Johannes Rausch genial inszenierte Schattentheater mit einfachsten Mitteln – mehr als einen zweidimensionalen Kinderwagen und eine Puppe braucht es hier nicht – den Beginn der Fantasiegeschichte erzählt.

Eben erst in die Welt geboren, wird das Kind schon von Tante, Mutter und Vater mit quäkenden Tröttönen und unverständlichem Kauderwelsch malträtiert. Wenn gesprochen wird, dann ausschließlich durch sogenannte Kazoos, die den Ton der menschlichen Stimme verzerren. Dieser Verfremdungseffekt macht aus Wörtern Störgeräusche und somit jede normale Form der Artikulation unmöglich.

Carina Huber und Fabienne Rohrer schlüpfen in der Choreographie von und mit Martin Birnbaumer abwechselnd in die verschiedenen Rollen, die ausnahmslos Geschlechterklischees bedienen. Raffiniert entwischt da etwa das in Riesenwindeln gewickelte Krabbelbaby den auf die Dauer regelrecht schmerzhaften Niedlichkeitsbekundungen der Tante mit grotesker Kopfbedeckung, während der Vater in Lederjacke maßregelnd eingreift.

Mimik und Gestik, aber auch die Stimmlage der Interpreten, bestechen durch starke Expressivität und rasche Dynamik. Die Körper sind es, die erzählen. Durchbrochen wird dieses Stück im Stück vom Lachen der Schauspieler über ihre eigene Performance in der Geschichte, das die Spielsituation noch deutlicher hervorhebt. Ein simpler Requisitentausch reicht danach aus, um die Rollenwechsel anzuzeigen.
Musikalisch verfährt Matthias Bitschnau ähnlich. Verschiedene repetitive und ermüdende Themen unterstreichen die Handlungen und die darin zum Ausdruck gebrachten Emotionen. Zum russischen Volkslied „Kalinka“ tanzt die ganze Familie zwar in Eintracht. Doch auch das nun zum Kleinkind Herangewachsene will die elterlichen Misslaute partout nicht übernehmen und brüllt los. Alle Erziehungsmaßnahmen scheitern an seinem eisernen Schweigen. Als nicht einmal die Schule eine Besserung der Situation erreichen kann, wird das Kind hinter die Schattenwand zum Arzt geschickt, wo es allerlei brachiale Untersuchungen über sich ergehen lassen muss. Weder eine Laryngoskopie noch die intensivste Ohrenreinigung liefern aber das gewünschte Ergebnis: Das Kind ist gesund und spricht trotzdem nicht.

Erst in einem fiebrigen Tagtraum, in dem sich viele bereits gesehene Elemente in einer assoziativen Gedankencollage auf der Schattenwand verdichten, findet das Kind zu seiner eigenen Ausdrucksform: Mit einer himmelblauen Okarina kann es sich endlich seiner Umwelt verständlich machen, und das ganz ohne unangenehme Geräusche und schiefe Töne.

Obwohl eine verkürzte Geschichte über Selbstfindung durchaus angelegt ist, lässt sich „Sag was“ eher als ein plattes Plädoyer gegen die Baby- und Kindchensprache verstehen. 

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