Kritik zu Superhero (El Perro Azúl Teatro) von Lena Leitner

Fernando Moreno (Foto: Rafa Lafuente)

Wer sind wir als Individuum? Welche Rolle spielen wir in dieser Welt, und wie wollen wir von anderen wahrgenommen werden? Dies sind einige der vielen Fragen, die man sich im Laufe des Stückes Superhero von der spanischen Theatergruppe El Perro Azul stellt.
Das Masken- und Puppentheater für Kinder und Jugendliche von Jorge Padín handelt von einem kleinen Jungen, der alleine mit seiner Großmutter lebt. Die Welt, in der er lebt, ist für ihn genug. Er braucht nicht mehr als seine Fantasie und Träume, um im Abenteuer zu versinken.
Einer der faszinierendsten Aspekte des Stückes ist die hervorragende Ein-Mann-Darbietung, die die Vorstellung zu etwas sehr Individuellem macht. Der Schauspieler Fernando Moreno schafft es, durch das Element von Masken, in fünf verschiedene Rollen zu schlüpfen und einen flüssigen Übergang zwischen diesen hervorzubringen. Bei diesen Überleitungen lässt der Schauspieler auch zu, dass man sein eigenes Gesicht zu sehen bekommt. Dies soll zeigen, dass das Theater etwas Menschliches ist. Auch während er auf der Bühne steht, ist er immer noch ein Mensch, der einfach mit Masken spielt und dabei Spaß hat. Es übermittelt damit jedes Mal aufs Neue die Frage der Suche der Identität und das Finden der wahren Person, die in einem steckt.
Ein anderes wertvolles Element des Stückes ist die Tatsache, dass der Schauspieler selber kein einziges Mal redet, sondern die Botschaften über seine Darstellung und starkem körperlichen Ausdruck übermittelt. Jedoch hat er als Verstärkung den Einsatz einer Aufnahme, die im Hintergrund zu hören ist. Diese zeigt die innere Stimme der Hauptperson, der Junge in der Geschichte. Wir verfolgen das Geschehen durch seine Erzählung der Situation, die kindhaft ist, aber gleichzeitig auch sehr aussagekräftige Gedanken mit sich trägt. Die zentrale Botschaft des Stückes besagt, dass jeder von uns ein Held sein kann. Jeder hat die Macht dazu, die Welt zu verändern und etwas Besseres aus gewissen Situationen zu machen. Dies wird mehrmals wiederholt.
Meiner Meinung nach kann die ständige Erwähnung der zentralen Botschaft für junges Publikum sehr hilfreich sein, sodass diese in Erinnerung bleibt, statt dass sie nach kurzer Zeit wieder vergessen wird.
Im Abenteuer des Jungen, das in einer seiner Träume stattfindet, kommt ein großer, böser Mann, der seiner Großmutter entführt. Sie besitzt den Lichtstein, der die letzte Energie der Welt in sich trägt. Nun sieht sich der Junge für zwei Probleme zuständig: seine Großmutter zu befreien, und das Licht wieder in die Welt zurückzuholen. Er, der selbst gerne mit bekannten Comicfiguren spielt, versetzt sich in die Rolle einer der Helden wie Superman und tut das Nötige, um wieder Ordnung zu schaffen. 
Durch dieses fantasievolle Konzept werden zahlreiche Metaphern hervorgeholt und so zitiert, dass sie eine starke Auswirkung auf das Publikum haben: "Im Schatten wachsen Albträume" und "Folge deinem eigenen Licht" haben wortgetreu den Sinn der handelnden Geschichte unterstrichen, aber hatten auch eine nennenswerte Bedeutung. Es entsteht ein Kontrast zwischen dem Guten und dem Bösen, der durch das Element des Lichtes, und das Fehlen des Lichtes bezeichnet wird.
Nachdem der Junge aus seinem Traum wieder erwacht, merkt er, dass seine kleine Welt immer noch die gleiche ist. Seine Großmutter wurde nicht entführt, das Licht im Haus wurde nicht abgeschaltet und der große, böse Mann ist doch nur der Elektriker, der etwas im Haus reparieren musste. Die darauffolgende Aussage kann auf zwei Arten interpretiert werden. "Die Wirklichkeit ist immer einfacher als die Träume" scheint in erster Sicht beruhigend und ermutigend, da man nach jedem Traum, beziehungsweise Albtraum, zurück in die Realität steigen kann. Egal wie schlimm und furchterregend diese waren, beim Aufwachen werden diese zurückgelassen und vielleicht auch wieder vergessen. Jedoch kann diese Aussage nach längerer Überlegung mit komplett anderen Augen betrachtet werden. Viele Menschen leiden unter einem täglichen Kampf des Überlebens. Ihre Realität ist viel schlimmer und furchterregender als jeder vorstellbarer Traum. Sie können nicht einfach die Flucht ergreifen und ein neues, schöneres Leben führen. Also bleibt die Aussage, dass Träume viel komplexer als die Realität sind, sehr vage, wenn man die soziale und politische Situation eines Großteiles der Weltbevölkerung betrachtet.
Der abschließende Gedankengang wirft die Frage auf, wie wir von der Welt gesehen werden wollen. Dazu müssen wir erst selbst herausfindet, wer wir als Mensch sind. Einer der letzten Sätze, die von der Stimme im Off zu hören war, war sehr berührend und regt zum Nachdenken an. "Schau nicht in den Spiegel, wenn du sehen willst, wer du wirklich bist." Dies trägt dazu bei, über das Äußerliche und Überflüssige hinwegzusehen und die wahre Bedeutung der Menschheit zu entdecken.
Das Familienstück von Jorge Padín war hinreißend und hinterließ viele Gedankengänge, mit denen sich die Zuseher für lange Zeit beschäftigen werden. Botschaften, die so einfach gestaltet wurden, dass das junge Publikum diese ohne Schwierigkeiten verstehen und sich einprägen konnte, hatten auch die Macht Erwachsene zu bewegen und in Gedanken versinken zu lassen. 

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